Igitti, Bäh!
Das Team der Blatta GmbH beantwortet die sieben wichtigsten Fragen zum Thema Ekel
1. Ekelt sich jeder Mensch?
Im Prinzip ja. Die Fähigkeit zum Ekeln ist dem Menschen angeboren. Abscheu gehört zu den Grundemotionen wie etwa auch Angst, Freude, Trauer und Wut, Überraschung und Verachtung. Menschen ekeln sich überall auf der Welt – nur nicht unbedingt vor den gleichen Dingen! Insekten auf dem Teller lösen bei vielen Europäern einen Würgereiz aus. In anderen Regionen gehören Heuschrecken und Würmer zur Alltagsküche. Schimmelkäse wiederum, hierzulande eine Delikatesse, widert viele Asiaten regelrecht an. Es gibt also kulturelle Unterschiede. Bei Kot, Eiter oder dem Geruch und Anblick von Verwesung allerdings sind sich die Menschen überall auf der Welt ziemlich einig: äh, bäh, eklig!
2. Warum ekeln wir uns überhaupt?
Ekel schützt uns. Aus Ekel meiden wir Orte und Dinge, die infektiös sein könnten. Verdorbenes oder giftiges Essen wird durch den Brechreiz wieder aus dem Körper transportiert. Das ist der evolutionäre Sinn von Ekel. Ekel ist neben der Haut und den Schleimhäuten und unserem Immunsystem die dritte Abwehreinheit, die unseren Körper vor Krankheiten bewahren soll. Haut und Schleimhäute bilden eine physikalische Barriere und verhindern so das Eindringen von Viren, Bakterien und Parasiten. Das Immunsystem bekämpft die unerwünschten Eindringlinge im Körper. Ekel soll dafür sorgen, dass wir gar nicht mit Krankheitserregern in Berührung kommen, sondern von vornherein einen großen Bogen um alles Bedrohliche machen. Interessant ist, dass wir uns nicht vor Bären oder Löwen ekeln, die für uns Menschen ebenfalls lebensgefährlich sein können. Angesichts der Raubtiere bekommen wir es stattdessen mit der Angst zu tun, die uns zur Flucht aktiviert. Der Unterschied liegt darin, dass Viren, Bakterien und andere Parasiten nicht mit bloßem Auge zu erkennen sind. Ekel arbeitet deshalb indirekt: Er bringt uns dazu, dass wir reflexhaft einen Widerwillen zeigen gegen Tiere (etwa Maden oder Ratten), Gegenstände (Schmieriges, Glibberiges und Undefinierbares) oder Körperflüssigkeiten (Schnief, Schleim oder Eiter), die Träger von Krankheitserregern oder Parasiten sein könnten.
3. Was passiert im Körper, wenn wir uns ekeln?
Ekel ist eine Emotion, die im limbischen System unseres Gehirns entsteht, im uralten Gefühlszentrum, das auch für Angst, Freude und andere Gefühle zuständig ist. Das limbische System arbeitet reflexartig. Es reagiert sofort auf Reize, ohne nachzudenken und abzuwägen. Im Moment des Ekels verzieht sich unser Gesicht. Wir rümpfen die Nase, ziehen die Oberlippe hoch, kneifen die Augen zusammen und die Mundwinkel gehen nach unten. Wir weichen automatisch zurück, ziehen den Kopf zurück und machen Schritt zurück. Ekel ist häufig mit körperlichen Symptomen verbunden. Bei einer Ekelreaktion kommt es häufig zu Übelkeit und Schweißausbrüchen. Der Blutdruck sinkt ab, deshalb ist auch eine Ohnmacht möglich. Der Naturforscher Charles Darwin vermutete, dass die Mimik und die Körperhaltung, die wir im Augenblick des Ekels reflexhaft einnehmen, auch der Kommunikation innerhalb einer Gruppe dienen – die anderen werden auf diese Weise automatisch vor potentiellen Gefahren gewarnt.
4. Ekeln sich Frauen stärker als Männer?
Sie schreit: „Iiih.“ Er bleibt cool. Nur ein Geschlechterstereotyp? Vermutlich nicht. Einer Studie der London School of Hygiene and Tropical Medicine zufolge ekeln sich Frauen tatsächlich etwas stärker als Männer. Eine mögliche Erklärung: Dieser Unterschied könnte sich im Laufe der Evolution entwickelt haben, weil Frauen sich während Schwangerschaften mehr schützen müssen und sie sich häufiger um den Nachwuchs kümmern, der besonders verletzlich ist. Daher reagieren sie schneller auf potentielle Krankheitsherde.
5. Warum ekeln sich Babys nicht?
Genauso wie Babys nicht von Geburt an sprechen und laufen können, ekeln sie sich auch nicht sofort: Würmer, Kot, Spinnen? Babys und Kleinkinder reagieren darauf ganz entspannt. Abscheu ist bei ihnen zunächst allein auf saure und bittere Geschmäcker beschränkt, auf die sie unwillkürlich mit entsprechender Mimik reagieren. Eine Studie hat gezeigt, dass sogar schon Ungeborene diesen Reflex zeigen, wenn ihre Mutter entsprechende Nahrung zu sich nimmt. Mit etwa fünf Jahren haben Kinder den Widerwillen gegen alles Eklige von ihren Eltern und ihrem sozialen Umfeld abgeschaut und reagieren dann ähnlich wie Erwachsene auf Milben, Schaben oder andere Trigger, die Ekel hervorrufen.
6. Wovor ekeln wir uns noch?
Die archaische Form des Ekels ist vor allem ein Alarmsignal, das dafür sorgt, dass wir alles meiden, was uns krank machen könnte. Im Laufe der Menschheitsgeschichte hat sich Ekel aber auch zu einem sozialen Gefühl entwickelt, das auch auf Normverletzungen innerhalb von Gruppen hinweist. Ein gutes Beispiel ist die Achselbehaarung, die abhängig von Kultur und Zeit mal als normal, mal als eklig empfunden wird. Auch der Kontext spielt eine Rolle: In der Sauna stört sich kaum jemand am Schweiß anderer Menschen. Die Schweißflecken auf dem Hemd des Kollegen lösen bei manchen Menschen Ekelgefühle aus. Es gibt auch so etwas wie moralischen Ekel, wenn wir mit besonders widerwärtigen Taten konfrontiert werden. Der Ekel dient dann dem Schutz der Psyche – und als Signal, dass Gefahr droht. Tatsächlich reagieren Gehirn und Gesichtsmuskeln bei allen Arten von Ekel ähnlich.
7. Warum ekeln sich Schädlingsbekämpfer nicht?
Die amerikanische Psychologin und Ekel-Expertin Rachel Herz ist überzeugt: Ob und wie sehr wir uns ekeln, ist beeinflussbar. Sie erklärt es so: „Je mehr man mit etwas konfrontiert wird, desto langweiliger wird es, und desto weniger reagiert man darauf. Bei Überexposition wird man desensibilisiert.“ Außerdem haben Fachleute wie Kammerjäger – bei Medizinern und Tatortreinigern ist es auch nicht anders – einen distanzierten, professionellen Blick auf die Sache. Sie wissen, was sie erwartet, sind im Problemlösungs-Modus und werden nicht von Ekelhaftem überrascht. Zudem tragen diese Berufsgruppen entsprechende Schutzkleidung, etwa Handschuhe.
Literatur
Ustun B, Reissland N, Covey J, Schaal B, Blissett J. Flavor Sensing in Utero and Emerging Discriminative Behaviors in the Human Fetus. Psychol Sci. 2022 Oct;33(10):1651-1663. doi: 10.1177/09567976221105460. Epub 2022 Sep 21. PMID: 36130610, pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36130610/
Valerie Curtis, Mícheál de Barra and Robert Aunger: „Disgust as an adaptive system for disease avoidance behaviour“, The Royal Society Publishing, Vol. 366, No. 1563, 12 February 2011, Evolution and human behavioural diversity,https://www.jstor.org/stable/41148911
Rachel Herz: „That‘s disgusting“, W.W. Norton & Company
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